Liam Gillick

Consulation Filter
Munster 2000

24. März — 12. Mai 2000

Liam Gillick (geb. 1964 in Aylesbury, Großbritannien) hat für die Ausstellung im Westfälischen Kunstverein vier individuelle Elemente entworfen, die auf unterschiedliche Weise den Raum ausstatten: eine Wandbemalung, eine farbliche Veränderung der Lichtschienen, einen skulpturalen Raumteiler und einen Schriftzug. Mit der Wandbemalung und der Veränderung der Lichtschienen hat Gillick Teile des Raums aufgegriffen und diese durch einfache formale Hinzufügungen oder Veränderungen DEKORIERT. Für die Bemalung hat er die Wand ausgewählt, durch die der Ausstellungsraum betreten wird und die der getreppten, den Raum formal und ästhetisch dominierenden Außenwand gegenüberliegt. Im Gegensatz zu der architektonisch stark gestalteten Außenwand ist sie pragmatisch und funktional. Sie befindet sich eher im Hintergrund und springt beim Betreten des Raums nicht sofort ins Auge. Gillick hat den Raum als Modell im Computer nachgebaut und dort die Bemalung entworfen. Auf der Basis eines im Umriss dargestellten Quadrats hat er Module in verschiedenen Größen und Stärken festgelegt, die er in einer nicht zu bestimmenden Ordnung überlagert und über die gesamte Wandfläche ausbreitet. Die Quadrate bilden ein leichtes, grafisches, aber unregelmäßiges Netzwerk, das sich wie der Schaltkreis auf einem Computerchip auf die Oberfläche der Wand legt. Überall dort, wo sich die Quadrate überlappen, entstehen treppenhafte Abläufe, die ein wiederkehrendes Prinzip innerhalb des chaotisch wirkenden Systems bilden und im übertragenen Sinn die Treppung der gegenüberliegenden Wand reflektieren. Auf der Wand des Kunstvereins, die in ihrer Funktion als Ausstellungsfläche mit der Präsentation von Bildern assoziiert wird, erinnert das im Umriss markierte Quadrat auch an einen Rahmen und wirkt in seiner vielzähligen Überlagerung wie eine Skizze virtueller Hängungen.

Ähnlich wie bei der Wandbemalung hat Gillick durch die Modifikation der Beleuchtung des Raums ein gegebenes architektonisches Element aufgegriffen und zum Gegenstand seines Eingriffs gemacht. Bei fünf der insgesamt sechzehn Lichtschienen hat er die vorhandenen milchigen Glasscheiben durch dunkelblaues und orangefarbenes Plexiglas ersetzt. Buntes Plexiglas war in den letzten Jahren das von Gillick am häufigsten verwendete Material. Es gehört neben Aluminium zu seiner Grundausstattung und ist gewissermaßen zu seinem Markenzeichen geworden. Wie auch die anderen Materialien, die Gillick verwendet - Aluminium, Spanplatten, acrylhaltige Haushaltsfarbe u.s.w. - ist Plexiglas ein industriell hergestelltes Material, das über den Großhandel oder im Baumarkt für jedermann schnell und preiswert verfügbar ist. Es existiert in einer breiten, aber festgelegten Palette von Farben und wird meist im korporativen Bereich zu dekorativen Zwecken verwendet. Zusammen mit Gillicks anderen Werkstoffen und in Kombination mit seinen digital erstellten Grafiken und Wanddesigns bildet es einen formalen Code, der sich deutlich auf die technoide Formensprache einer postindustriellen Gesellschaft bezieht.

Mit den (PROVISIONAL) CONSULTATION PARTITIONS, wie Gillick die hier installierten, skulpturalen Raumteiler aus Aluminiumschienen und mit Formica beschichteten Multiplexplatten nennt, fügt er ein Element hinzu,
das die Ausstellung in Münster mit einem formalen und gedanklichen Raster verbindet, das Gillick in den letzten Jahren in Texten und objekthaften Arbeiten entwickelt hat. Einen Schlüsselpunkt stellt der Roman DISCUSSION ISLAND: BIG CONFERENCE CENTER von 1997 dar, auf den die skulpturalen Arbeiten der folgenden Jahre und auch die Partitions in Münster zurückgehen. Gillick baut diese Arbeiten nach einem einheitlichen und wiedererkennbaren System aus Aluminiumschienen und flächigen Materialien wie Plexiglasscheiben, Holzpanelen oder Stoff und fügt sie meist in Form von Trennwänden oder abgehängten Plattformen in vorgegebene Räume ein. Die Titel dieser Arbeiten lauten z.B. DISCUSSION PLATFORM, BIG NEGOTIATION SCREEN oder DISCUSSION ISLAND: ASSESSMENT THINK TANK und markieren ihren Zusammenhang mit bestimmten räumlichen, architektonischen und gesellschaftlichen Untersuchungen, die auch die Grundlage des Buches bilden. Mit den Partitions hat Gillick seine Palette von Werkstoffen um ein neues Material erweitert. Zum ersten Mal verwendet er mit Formica beschichtete Multiplexplatten, die im Unterschied zu Plexiglas nicht transparent sind. Formica ist ein Kunststoffbeschichtung, die ursprünglich im frühen 20. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten als Isoliermaterial für elektrische Vorrichtungen entwickelt wurde. Den Höhepunkt seiner breiten Nutzung als dekorative Oberflächenbeschichtung für Möbel, Küchen, Badezimmer und Wandverkleidungen erreichte es in den späten 60er Jahren. Es ist wie Plexiglas ein funktionales und dekoratives Industrie- und Massenprodukt, das sich nahtlos in Gillicks Formensprache einfügt. Mit den Formica-beschichteten Platten hat Gillick darüber hinaus ein Material gefunden, das aufgrund seines nicht-transparenten und stark flächigen Charakters die optische Wirkung von digitalem Entwurf und dreidimensionaler Ausführung immer stärker zusammenführt.

Auf die rechte Stirnwand des Raums hat Gillick den Satz HORSENESS IS THE WHATNESS OF ALL HORSE in graulackierten Aluminiumbuchstaben angebracht. Es ist ein Zitat von James Joyce und könnte wörtlich etwa mit PFERDHEIT IST DIE WASHEIT ALLEN PFERDES übersetzt werden. Die eigenartige Kombination von bekannten und konstruierten Worten erscheint verwirrend und herausfordernd. Wie auch bei den anderen Arbeiten Gillicks und insbesondere seinen Texten, läßt sich die Bedeutung dieser Worte nicht eindeutig interpretieren. Doch der widersprüchliche Versuch, durch eine absurde sprachliche Verallgemeinerung - die PFERDHEIT - eine absolute Ordnung - die WASHEIT - zu etablieren, die in diesem Satz zum Ausdruck kommt, erscheint wie eine Metapher für die Ambivalenz von Rationalität und Ironie, von Logik und Mannigfaltigkeit im Werk von Liam Gillick.

Anläßlich dieser Ausstellung hat der Westfälische Kunstverein in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunstverein und dem Oktagon Verlag sowie mit freundlicher Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung den ersten umfassenden Werkkatalog von Liam Gillick herausgegeben. Mit vielen Farbabbildungen und einem grundlegenden Text von dem britischen Kunsthistoriker Michael Archer dokumentiert dieses Buch Gillicks Werk von den Anfängen in den späten 80er Jahren bis heute


 
CORRECTED CONFERENCE DIAGRAM
2000, orange paint on wall, dimensions variable

 A wall diagram intended to function as a singular decorative element in a conference situation where the subject for discussion is a continuation of earlier discussions.


 
(PROVISIONAL) CONSULTATION PARTITION
2000, anodised aluminium, Formica, plywood, 1440cm x 240cm x 40cm

 A large partition wall that is derived from considerations of the potential of a structure that could be used in locations that are only temporarily designated as places for discussions.

 

LOBBY SIGNAGE
2000, painted laser-cut aluminium, each letter 10cm high

 A sign in the form of a motivational phrase that could be seen as operating best in a space where large numbers of people pass through every day.

 

APPLIED CONSULTATION FILTER
2000, Plexiglas, variable

 Adjusted lighting applied to the structure of the Westfälischer Kunstverein and therefore intended to only be useful in that environment.