„Believe“

15. Dezember - 3. Februar 2002

Nathan Coley, Lucy Gunning, Benita-Immanuel Grosser, Elias Hassos, Andreas Hofer, Eva-Maria Kollischan, Anri Sala, Yoshihiro Suda


„Ich persönlich bin von Grund auf a-religiös, obwohl ich mir der Notwendigkeit einer religiösen Dimension schmerzlich bewußt bin. Das Problem ist, daß sich keine der heutigen Religionen mit dem allgemeinen Erkenntnisstand verträgt. Was wir bräuchten, ist geradezu eine neue Ontologie“
(Michel Houellebecq)

„Believe“, eine Ausstellung und eine Veranstaltungsreihe zur Frage nach der Bedeutung von Religion und Glauben in der spätkapitalistischen westlichen Gesellschaft, kann in diesen Tagen nicht eröffnet werden, ohne auf die terroristischen Anschläge auf das World Trade Center in New York Bezug zu nehmen. Die Thematik der Ausstellung hatte zu Beginn seiner Entwicklung vor etwa einem Jahr einen wesentlich abstrakteren Charakter und hat nun nach den traurigen und schwerwiegenden Ereignissen der letzten Woche auf leider unfaßbare und tragische Weise plötzlich einen sehr konkreten Bezugspunkt bekommen. Es ist nun so aktuell geworden, daß sich sowohl die Ausstellung als auch die Werke mit der Tragweite der realen Ereignisse zu messen haben und sich entweder als vollkommen irrelevant oder eben möglicherweise als sehr relevant erweisen werden. Noch kann dies nicht entscheiden werden, es bleibt abzuwarten, welche Diskussionen durch die Arbeiten ausgelöst und welche Gespräche im Anschluß an die Vorträge und Filmvorführungen geführt werden.

„Believe“ bezieht sich nicht auf eine bestimmte Religion, sondern zum einen auf Religion als verbindliches Kommunikations- und Wertesystem im Allgemeinen und zum anderen auf subjektiven Glauben als spirituellen Lebenshintergrund. Nicht-westliche Religionen können hier nur in ihrem Bezug zu unserer Gesellschaft thematisiert werden, da dies die einzige Perspektive ist, die wir glaubhaft einnehmen können. Die Ausstellung zeigt eine Gruppe von Werken internationaler Künstler, die sich aus ihrer individuellen Perspektive mit Religion, ihren Symbolen und ihrer Praxis befassen. Einige Werke nehmen einen dokumentarisch-analytischen Standpunkt ein, andere sind Ausdruck subjektiver spiritueller Erfahrungen. Dabei geht es nicht um die ikonografische Darstellung von religiösen Inhalten, sondern um persönliche Beobachtungen und Äußerungen, sowie Dokumentationen von Situationen, in denen Formen von Religiosität und Spiritualität mit moderner Alltäglichkeit zusammentreffen. Die meisten der Werke wurden von den Künstlern speziell zum Thema der Ausstellung konzipiert, sie werden anschließend ausführlich beschrieben. Während die Ausstellung sehr unterschiedliche Eindrücke und Positionen sammelt, wird sich eine Vortrags- und Filmreihe, zu der Theologen, Politikwissenschaftler, Philosophen und Künstler eingeladen werden, konkret mit der Fragestellung des Projekts befassen: Welche Funktion haben Religion und Glauben in der gegenwärtigen westlichen Gesellschaft für den Menschen als gesellschaftliches Subjekt und als Individuum? Wie ist das Verhältnis von Religion, Gesellschaft und Politik historisch zu verstehen und hat es sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts gewandelt? Ergänzend zu diesem Diskurs zeigt der Westfälische Kunstverein die Filme „Das Himmler-Projekt“ von Romuald Karmakar, in dem der Schauspieler Manfred Zapatka eine dreistündige Rede von Heinrich Himmler liest, die dieser 1943 bei der Gruppenführertagung in Posen hält, sowie das Video "Leigh Valentine" von Jane Ostermann-Petersen und Willem de Rooij, in dem die medienwirksame Massenpredigt einer amerikanischen weißen Gospelpredigerin dokumentiert wird.

Veranstaltungen

Eröffnung
Freitag, 21. September um 20 Uhr
Begrüßung und Einführung: Susanne Gaensheimer

Künstlergespräch

Samstag, 22. September, 14 Uhr

Filmvorführung

Sonntag, 23. September um 19 Uhr
Die Predigt als Massenereignis: "Leigh Valentine"
1994—2000, ca. 30 Minuten
Ein Video von Jane Ostermann-Petersen und Willem de Rooij
Nach der Vorführung findet ein Gespräch statt

Vortrag von Matthias Gärtner (Autor und Philosoph, München)
Mittwoch, 26. September um 19 Uhr
"Gesellschaft nach dem Tode Gottes."
Nietzsches Frage nach der religiösen Bestimmung des Menschen in der Moderne

Vortrag von Matthias Gärtner (Autor und Philosoph, München)

Mittwoch, 26. Septembe um 19 Uhr
Autorität oder Anarchie.
Die Politik der Religion

Videovorführung

Sonntag, 7. Oktober um 19 Uhr
"Ideologie als Religionsersatz?"
Das Himmler Projekt — Manfred Zapatka und die Rede Heinrich Himmler bei der SS-Gruppenführertagung in Posen 1943
Ein Video von Romuald Karmakar, 2000, ca. 3 Stunden

Gespräch
Dienstag, 9. Oktober um 19 Uhr
Zur Konzeption des „Ich“ in Buddhismus und Christentum
Gespräch zwischen Oliver Petersen (Tibetisches Zentrum e. V. unter der Schirmherrschaft s. H. des 14. Dalai Lama, Hamburg) und Jürgen Werbick (Fundamentaltheologe, katholisch-theologische Fakultät der Universität Münster)