Joachim Brohm

„Areal“


5. Juli — 7. September 2003

Der Fotograf Joachim Brohm (*1955) hat über einen Zeitraum von elf Jahren eine Großbaustelle im Norden Münchens fotografiert. Die über 300 entstandenen Aufnahmen dokumentieren den langzeitigen Wandel von einem industriell geprägten Gelände zu einer neu entstehenden Mehrfamilienwohnanlage. Doch weniger als ein genaues Protokoll ist die visuelle Topographie eines Gebietes entstanden, die sich nicht zu einem geschlossenen Bild zusammenfügt. Brohm hat sich in der Zeit zwischen 1992 und 2002 dem Motiv immer wieder mit einfacher Kleinbildkamera und Normalob-jektiv, ohne Blitz und Stativ genähert. Aus dieser gelassenen und konzentrierten Haltung entstand der eindrucksvolle Werkkomplex Areal, der dem Reichtum und der Vielschichtigkeit der Realität einer Großbaustelle entsprechen kann.

In der Beobachtung der physischen, architektonischen und sozialen Veränderungen des 90 000 qm großen Gebietes findet der Fotograf jeweils neue Aspekte des gleichen Gegenstands. Bauhütten, Maschinen, Modelle der neuen Wohnsiedlung sind ebenso bildwürdig wie die Namensschilder an den Klingeln oder das Zeichen der International Gospel Church, die als Zwischenmieter einzieht. Die Fotografien sind dabei auf ungewöhnliche Weise von der Begeisterung für den sinnlichen Reichtum einerseits und der Stoik gegenüber der Veränderung andererseits charakterisiert. Brohm vereint die deutsche Tradition der sachlichen Bestandsaufnahme mit der Farblust amerikanischer Fotografie und aktualisiert zugleich die historische Linie der New Topographies. In seiner Ortsbeschreibung zeigt sich die Souveränität im Umgang mit dem Medium in dem vielseitigen und vielschichtigen Aufbau der Bilder, der die komplexe Materialität des Baugeländes ausdrückt, sowie dem kaum merklichen Wechsel der Auf- und Ansichten, in denen der Blick durch und über das Gelände geführt wird.

In dem Wiedererkennen von Gegenständen wie der großen Aral-Uhr oder einer Wellblechhalle wird der Blick des Betrachters vertraut mit dem Ort. Zugleich wird deutlich, dass die Kamera mit fortschreitender Zeit an den aufragenden Häuserwänden keinen Halt mehr findet; zunehmend werden die Bilder von der neuen Glätte eingenommen, die die Wohnsiedlungen an den urbanen Peripherien heute bestimmt. Damit beinhaltet Brohms Areal als Langzeitaufnahme auch das Zeugnis einer postindustriellen Entwicklung unserer Städte und einen Abschied an die sinnlichen Eindrücke des Brachlands.

 

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Fotomuseum Winterthur produziert und organisiert.

Veranstaltungen

Eröffnung
Freitag, 4. Juli um 19 Uhr
Begrüßung: Reinhold Krüger
Einführung: Carina Plath

Künstlergespräch
Samstag, 5. Juli um 14 Uhr
 
Dritter Donnerstag
Donnerstag, 21. August
um 16 Uhr

Führung und Gespräch
in der Ausstellung „Areal“
mit Carina Plath, Direktorin des Westfälischen Kunstvereins

Der Fotograf Joachim Brohm (*1955) hat über einen Zeitraum von elf Jahren eine Großbaustelle im Norden Münchens fotografiert. Die über 300 entstandenen Aufnahmen dokumentieren den langzeitigen Wandel von einem industriell geprägten Gelände zu einer neu entstehenden Mehrfamilienwohnanlage. Doch weniger als ein genaues Protokoll ist die visuelle Topographie eines Gebietes entstanden, die sich nicht zu einem geschlossenen Bild zusammenfügt. Brohm hat sich in der Zeit zwischen 1992 und 2002 dem Motiv immer wieder mit einfacher Kleinbildkamera und Normalobjektiv, ohne Blitz und Stativ genähert. Aus dieser gelassenen und konzentrierten Haltung entstand der eindrucksvolle Werkkomplex Areal, der den Reichtum und die Vielschichtigkeit der Realität einer Großbaustelle präsentiert.

 
um 20 Uhr
„Hunter“ (1989) von Robert Frank
engl. mit dt. Untertiteln, 16 mm, s/w und Farbe,
 36 min.
 
Robert Frank (*1924) gehört zu den bedeutendsten Fotografen der Gegenwart, dessen Bilder sich durch einen dokumentarischen, sehr direkten Stil auszeichnen. Berühmtheit erlangte der gebürtige, in New York lebende Schweizer Ende der 1950er Jahre durch seine Serie The Americans, die auf schonungslose Weise soziale und rassische Spaltungen in der amerikanischen Gesellschaft festhielt, sowie durch den Film Pull my Daisy (basierend auf einem Skript von Jack Kerouac), der zum Kultfilm der Beat-Generation wurde. Am Ende der 1980er Jahre kam Frank, auf Einladung der Kulturstiftung Ruhr ins Ruhrgebiet, um seine Sicht auf Deutschland zu zeigen. Jetzt ist es der fremd gewordene Europäer, der einen amerikanischen Blick auf die Welt lenkt und zugleich der Jäger (Hunter) nach Bildern und nach etwas, was man als Wahrhaftigkeit bezeichnen könnte, ist. Joachim Brohm hat seine Vorliebe und den wichtigen Einfluss von Franks Haltung für seine Arbeit betont. In dem Zusammensehen von Ausstellung und Film lassen sich wichtige Spuren des Dokumentarischen finden, die im anschließenden Gespräch erläutert werden können.