Streik

25. April — 06. Juni 2003

Der Streik, die Unterbrechung der Produktivität, ist nicht nur ein Kampfmittel, sondern steht auch für eine besondere Zeit des Nachdenkens über die Grundlagen der Arbeit. Er ist ein Zeitraum für Kreativität, die nicht allein auf die Produktion gerichtet ist. Für eine Unterbrechung der Arbeit plädierte schon am Ende des 19. Jahrhunderts der französische Sozialist Paul Lafargue, als er das Recht auf Faulheit propagierte, um das in Arbeitssucht verfallene Proletariat und die in der Dekadenz des Konsums dahinsiechende Bourgeoisie zu retten. Haben sich einerseits Künstler wie Richard Serra mit dem Arbeiter identifiziert, sind andererseits Faulheit oder Langeweile, wie man von Künstlern wie Bruce Nauman weiß, wichtige Komponenten künstlerischer Arbeit. Der Künstler kann ebenso als der Prototyp des Arbeitslosen bezeichnet werden, der zwar nie ohne Produktivität existiert, diese jedoch anders begründet und definiert.

Streik ist als Freiraum gedacht, der in diesem Fall der Ausstellungsraum des Westfälischen Kunstvereins ist. Es wird jetzt keine Kunstproduktion präsentiert, sondern in wechselnden Veranstaltungen über die Neubewertung der Arbeit, einschließlich der Grundlagen künstlerischer Arbeit nachgedacht. Welche Alternativen stellen sich zum scheinbaren Arbeitsmangel in der globalen Marktwirtschaft? Warum gibt es glückliche Arbeitslose? Wie sieht es aus mit der Bewertung des symbolischen Kapitals, das die Kunstwelt unerlässlich produziert? Interessiert es jemanden, wenn Künstler und Künstlerinnen streiken?


Der Kunstverein zeigt eine Filmreihe zur Geschichte des Streiks im Film, lädt zu Vorträgen zu neuen Arbeitsmodellen ein, und gibt Informationen über Netzwerke, die in neue Richtungen zu denken versuchen. Künstler und Künstlerinnen, die sich in ihren Ansätzen mit dem Phänomen der Arbeit auseinandergesetzt haben, sind darüber hinaus eingeladen, auf unterschiedliche Weise zum Programm beizutragen. Der Mai, der Monat der klassischen Arbeiterbewegung wird genutzt, um neue Bewegungen in die Diskussion der Arbeit aus der Sicht der Kulturschaffenden zu bringen.

 

 

Publikation


Zur Ausstellung erscheint eine Streikzeitung.


Veranstaltungen

Fragenstellung
Freitag, 25. April um 19 Uhr

Warum veranstaltet der Kunstverein ein Projekt wie Streik? Welche Fragen stehen hinter diesem Vorhaben? Die Direktorin des Westfälischen Kunstvereins, Carina Plath, stellt die Fragen, von denen das Projekt ausgeht und die es begleiten sollen.

Filmvorführung
um 20 Uhr
„Streik (Stachka)“ von Sergei Eisenstein
UDSSR 1924, 81 min., Stummfilm

Ein Anfangspunkt: Der erste Film von Sergei Eisenstein, des berühmten Regisseurs von Panzerkreuzer Potemkin zeigt die Nähe von künstlerischer Avantgarde und Arbeiterkampf zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der klassische Film wird im Ausstellungsraum des Westfälischen Kunstvereins im Rahmen der Eröffnung vorgeführt.

Filmvorführung

Mittwoch, 30. April, um 19 Uhr
„Like Father“
von The Amber Production Team, GB 2001, 94 min.

Maikundgebung
Donnerstag, 1. Mai, ab 11 Uhr
auf dem Rathausinnenplatz
 
um 13 Uhr
Offene Diskussion mit Frau Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung

Gedenktag

Freitag, 2. Mai, Villa ten Hompel
Gedenken an den Sturm auf die Gewerkschaftshäuser am 2.Mai 1933


Datenstrudel
Mittwoch, 7. Mai um 20 Uhr
Datenstrudel
 (Jörn Hintzner, Jakob Hüfner) stellt vor:
 
Sonnendeck 2001, Musik: PeterLicht, Regie: Datenstrudel, 3 min. 20 sek. und
 Lichtbildvortrag „Nächtliche Büroschmarotzer“, Fotos: Bernd Schuller
 
Datenstrudel wurde 2000 als Experimentierfeld von Filmemachern, Künstlern, Fotografen und Autoren gegründet, um einmal monatlich eine interaktive Liveshow im Internet zu streamen. Neben diesen Livestreams entstanden Musikvideos und Fotoarbeiten. Die Gruppe stellt im Kunstverein das bekannte Musikvideo Sonnendeck vor und berichtet im Vortrag über eine kuriose Erscheinung der Arbeitswelt, eine Spezies, die sich nachts Büros im öffentlichen Raum erobert.


Vortrag von Dr. Erich Franz

Donnerstag, 8. Mai um 20 Uhr

Dr. Erich Franz spricht zu Franz Radziwills Bild Der Streik (1931)
Eines der beliebtesten Bilder des Landesmuseum ist das neusachliche Bild des Malers Franz Radziwill. Dr. Erich Franz erläutert kurz die Hintergründe und die Geschichte des Bildes.

Filmvorführung
um 21 Uhr, auf dem Vorplatz des Landesmuseums
„Aufstand der Fischer“ von Erwin Piscator, UDSSR 1934, 88 min.
 
Ebenfalls in den 1930er Jahren entstand dieser Film von Piscator, dem Theaterrevolutionär der 1920er Jahre, der sich die Montagetechniken von Eisenstein zunutze machte. Der Film zeichnet sich durch seine starke Expressivität aus, mit der der Regisseur den Streik der Fischer inszeniert. Ein historisch interessanter Film mit vier Jahren Entstehungszeit, der mit geschlossenen Reihen von Bürgern und Proletariern endet, sich von der nationalsozialistischen Arbeiterpartei jedoch abgrenzt.

 
Vortrag
Freitag, 9. Mai um 20 Uhr
„Neue Arbeitsmodelle I“
Sebastian Brandl, Diplom-Sozioökonom, Wirtschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Sebastian Brandl und Eckart Hildebrandt haben sich eingehend mit der Zukunft der Arbeit beschäftigt und plädieren für eine Erweiterung des Arbeitsbegriffs über die Erwerbsarbeit hinaus. Aktuellen Tendenzen der Entgrenzung von Arbeitsplatz und –zeit wird mit einem Modell der Mischarbeit und Nachhaltigkeit begegnet, das auch zu einer ökologischen und sozial verträglichen Gesellschaftsentwicklung beitragen soll.

 

Mittwoch, 14. Mai um 
20 Uhr
give & take
Münsters erste Zeit-Tauschbörse stellt sich vor

Was passiert, wenn Arbeitszeit nicht mehr Geld bedeutet? Bei der Tauschbörse kann jeder seine Fähigkeiten gegen andere tauschen und ein Zeitkonto einrichten. Was benötigen Sie und was wollen Sie anbieten? Elektriker gegen Nachhilfe, Tanzunterricht gegen Urlaubsbegleitung, in Münster gibt es viele Möglichkeiten. Die Tauschbörse stellt sich vor und lädt zu einem Interessenaustausch ein.

 
Dritter Donnerstag

Donnerstag, 15. Mai

um 17 Uhr
Erläuterungen zum Streik von Carina Plath
 
um 20 Uhr
„Steelmill / Stahlwerk“
Video von Richard Serra und Clara Weyergraf, D 1978, 26 min.
 
Der amerikanische Stahlbildhauer Richard Serra und die Kunsthistorikerin Clara Weyergraf haben diesen Film in der Heinrichshütte in Hattingen gedreht, in der Serra Stahlskulpturen bis zur Schließung des Werks 1987 anfertigen ließ. Ein stummer, eindringlicher Film, der die Kräfte der gewaltigen Maschinen in Relation zum menschlichen Maßstab setzt und die schwere physische Arbeit der Stahlwerker zeigt.
 
um 21 Uhr
„Ofen aus“
Film von Rainer Komers und Klaus Helle, D 1993, 113 min.
 
Ofen aus ist der Folgefilm zu Erinnerung an Rheinhausen vom Ende der 1980er Jahre. Die Filme sind Situationsaufnahmen des Arbeiterkampfs im Ruhrgebiet: der Kampf um den Erhalt der Krupp-Hütte und die Dokumentation des Lebens nach dem Schließen der Hütte. Die Beobachtungen, die die Filmemacher im zweiten Film machten, gerieten auch zu einer Studie über Deutsche und Türken, über zwei unterschiedliche Kulturen und Grade der Entwurzelung.

 
Vortrag
Freitag, 16. Mai um 20 Uhr
„Neue Arbeitsmodelle II“
Dr. Christina Klenner, Referatsleiterin für Frauen und Geschlechterforschung am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung

Ein Forschungsschwerpunkt des WSI ist die Frage der Auswirkungen des Wandels der Arbeitsgesellschaft auf das Geschlechterverhältnis und die Bewertung der hauptsächlich von Frauen geleisteten, nicht als Erwerbsarbeit organisierten Arbeit in sozialen Bereichen (Haushalt, Kinderbetreuung, soziale Netzwerke). Christina Klenner, die informiert über aktuelle Fragen in dieser Diskussion.

 
Aktion mit Matthias Schamp
Mittwoch, 21. Mai um 16 Uhr
auf dem Vorplatz des Landesmuseums

Der von seiner jüngsten Wir-sind-das-Bild-
Demonstration im Kunstverein bekannte Künstler Matthias Schamp wird in seiner Arbeit erneut über Manifestationsformen reflektieren. Seine Aufmerksamkeit gilt diesmal der Erscheinung des Windlochs.

 
um 20 Uhr
Bugpapier
In einem AutorInnen-Gespräch stellt 
sich die Gruppe Bugpapier sich und ihre Plakate 
gegen die Arbeit vor und stellt die Frage der Arbeit als Frage nach der Nicht-Arbeit.

Die Gruppe Bugpapier besteht aus 7 Gestaltern, die mit Plakaten die Frage nach dem, was bleibt, wenn man nicht arbeitet, stellt. Mit ihrer provokanten Strategie gebrauchen sie Aspekte des Graphic Design für Werbung für Nicht-Arbeit und Lebenswiedergewinnung.
www.bugpapier.de


Kunstreik – art strike
Donnerstag, 22. Mai, ganztags
Kunstreik – art strike
Unterbrechung der Arbeit. Künstler und Künstlerinnen sind eingeladen, mitzustreiken.
 
Das Büro bleibt geschlossen, der Ausstellungsraum wird aktiviert als Forum für Gedankenaustausch über das Verhältnis Kunst-Zeit-Geld. Läßt sich Kunst ökonomisch verstehen? Und wenn nicht, liegt es daran, dass Kunst in der heutigen politischen Debatte keinen Einfluß zu haben scheint?

 
um 20 Uhr
Podiumsdiskussion zu „Kunst und Geld“
Fragen nach den ökonomischen Verhältnissen der Künste sollen mit Kulturschaffenden und Politikern diskutiert werden.

Teilnehmende:

Rita Feldmann, 
Verwaltungsdirektorin Städtische Bühnen Münster
Carsten Gliese
, Künstler


Dr. Gail Kirkpatrick
, Ausstellungsleiterin der Städtischen Ausstellungshalle am Hawerkamp
Hery Klas
, Fraktionssprecher des Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Kulturausschusses und des Haupt- und Finanzausschusses des Rats der Stadt Münster


Ewa Teilmans, 
Intendantin Wolfgang-Borchert-Theater Münster


 
Freitag, 23. Mai um 20 Uhr

Dõna Carmen e.V. stellt sich vor
Dõna Carmen e.V. setzt sich für die Rechte und den Aufenthalt von Prostituierten in Frankfurt ein. In der Diskussion um das Arbeits- und Aufenthaltsrecht werden in diesem Bereich die Konflikte und Widersprüche der Arbeitspolitik auf besondere Weise deutlich. Die Künstlerin Silke Wagner hat deshalb Dõna Carmen eingeladen, ihre Arbeit im Rahmen von Streik vorzustellen.


Werkpräsentation
Mittwoch, 28. Mai um 20 Uhr
Gérard dalla Santa (F)

Der französische Künstler Gérard Dalla Santa, zuletzt zu sehen in der wichtigen Ausstellung Des Territoires in der Ecole des Beaux-Arts in Paris, hat sich in fotografischen Arbeiten mit dem Phänomen der ästhetischen Darstellung von Arbeit beschäftigt. Er wird im Kunstverein seine neusten Werke vorstellen.

Filmvorführung
um 21 Uhr auf dem Vorplatz des Landesmuseums
„The Navigators“
Film, von Ken Loach, GB 2001, 
96 min.

Der neueste Film des bekannten britischen Dokumentarfilmers Ken Loach berichtet von fünf Männern und der Privatisierung der britischen Eisenbahn. Die Arbeiter werden vor die Wahl gestellt, entweder suchen sie sich einen neuen Job oder sie akzeptieren einen Vertrag mit schlechteren Konditionen. In der Zeit der unsicheren Jobs wird vor allem die Freundschaft der Männer auf die Probe gestellt. Der Brite Ken Loach drehte den Film nach einem Drehbuch von Rob Dawber, der 18 Jahre in einem Stellwerk in Sheffield arbeitete.

 
Filmvorführung
Donnerstag, 29 Mai um 21 Uhr
auf dem Vorplatz des Landesmuseums
„Der Bekehrte (Zawrocony)“
Film von Kasimierz Kutz, Polen 1994, OF mit dt. Untertiteln, 79 min.
 
Tomasz nimmt im Auftrag der Partei an einer Solidarnosc-Kundgebung teil, um seine Kollegen zu bespitzeln. Doch am nächsten Tag wird er selbst festgenommen: Er wurde fotografiert, als er lauthals mitgesungen hatte. "Der Film schwankt zwischen Komik und Tragik, Absurdität und Aberwitz. Kutz erzählt mit Schwung, oft an der Grenze zu Slapstick und Groteske …Präzise Szenen, stimmiges Milieu, ein wunderbarer Rhythmus und eine Kamera, die endlich mal wieder Gesichter liebt ..." Der Film erhielt 1994 den Filmpreis des Goldenen Danziger Löwen.


 
Mittwoch, 4. Juni um 20 Uhr

Das Netzwerk Arbeit über Arbeit stellt sich vor.
www.arbeit-ueber-arbeit.de

Die Künstler und Architekten Stefan Krüskemper, Heidi Sadlowski und Jörg Amonat fragen in ihrer Arbeit über Arbeit nach Bedingungen heutiger Arbeit, Formen von Selbstorganisation, persönlichen Arbeitsstrategien und Arbeitsutopien. In Vernetzung mit verschiedenen anderen Interessensgruppen, Wissenschaftlern und Künstlern schaffen sie eine Plattform für die Diskussion dieser Fragen.

 
Donnerstag, 5. Juni
um 20 Uhr
Die Arbeit von Mark Formanek wird installiert.

 
um 21.30 Uhr
„Themroc“
Film von Claude Farraldo, F 1972, 110 min

Ein Filmklassiker mit Michel Piccoli in der Hauptrolle, der die Frage nach der Möglichkeit des Ausstiegs aus der Zivilisation und dem Lustgewinn von Anarchie stellt. Themroc macht seine Wohnung in einem Wohnsilo in Paris zur Höhle, reißt die Außenwand raus und mauert die Wohnungstür zu. Er lebt in aller Öffentlichkeit seine archaischen Bedürfnisse aus und gewinnt viele Anhänger für diese Lebensweise. Der Film ist mit seiner Maschinenstürmer-Mentalität keine ernste Sozialrevolte, obwohl er deutlich die tristen, ökonomisch geprägten Zwänge zeigt. Er spielt vielmehr mit der von uns geschaffenen Situation und karikiert die Flucht ins steinzeitliche Paradies und die anarchische Lebensweise.


 
Freitag, 6. Juni um 19 Uhr
Die Reinigungsgesellschaft spricht über Die neue Elite

Die Reinigungsgesellschaft (Henrik Mayer und Martin Keil) aus Dresden hat in Münster Gruppen befragt, die sich auf dem Feld der Nichterwerbstätigkeit engagieren. Mit welchen Zielen und Inhalten können sich Menschen, die nicht in das allgemeine Leistungsschema passen, identifizieren? Können wir Werte und Visionen entwickeln, die nicht auf Wirtschaftswachstum und Wertsteigerung basieren? Die Künstlergruppe sucht die Maßstäbe für eine neue Elite.

Vortrag
um 20 Uhr
„Arbeitsmodelle III“
von Dr. Michael Brater, Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung München
 
Eigenverantwortliches Handeln ist heute durch die steigende Flexibilisierung der Arbeitswelt stärker gefragt als zuvor. Die Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung berät Unternehmen und Organisationen, die die persönliche Entwicklung der Beteiligten fördern wollen. Michael Brater, Autor des Buchs Künstlerisch Handeln, beschreibt den künstlerischen Prozess als Paradigma eines offenen Handlungsprozesses, der neue Wege für die Arbeitswelt weisen kann.